DAS IDYLL ALS POLITISCHES GEGENBILD
Die fruchtbare bulgarische Begeisterung über den Fleiss, die Tapferkeit und den Heldenmut der Schweizer, über ihre Freiheitsliebe und vorbildliche Gesellschaftsordnung sowie über ihre technischen und kulturellen Errungenschaften sollte viele Jahrzehnte lang, allerdings nur bis nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bestehen bleiben.
Am 8. September 1944 drangen Truppen der Roten Armee in Bulgarien ein. Unter deren Schutz nahmen Partisanen die Hauptstadt ein und bildeten sofort eine sogenannte "Regierung der Vaterländischen Front", in der die Kommunisten zunächst zwei Jahre lang nur eine Minderheit darstellten. Um ihre Macht zu festigen, entfachten sie einen "roten Terror" nach bolschewistischem Vorbild. Verhaftet und grausam ermordet wurden etwa 140.000 Menschen - in einem Land mit damals 7 Millionen Einwohnern, d.h. rund 2 % der Gesamtbevölkerung.
Trotz der Schrecken des Terrors versuchte das bulgarische Volk, insbesondere die bulgarische Intelligenz, politischen Widerstand zu leisten. In diesen Bemühungen sollte das Schweizbild eine bemerkenswerte Rolle spielen.
Im Jahre 1947, kurz vor der sogenannten "Nationalisierung" auch des Verlagswesens, konnte das Buch "Schwejzarski skizi" (Schweizerische Skizzen) von Dr. Hristo Al. Zaimov noch erscheinen. Am Beispiel der Schweiz entwirft der Autor für seine gerade vor entscheidenden Wahlen stehende Heimat ein nachahmenswertes politisches Bild:
"Die Schweiz ist zwar ein kleines Land, dazu noch in drei verschiedene Sprachgebiete geteilt, in ihr ist aber alles einwandfrei geregelt, man findet da eine vorbildliche Staats- und Gesellschaftsordnung, einen bis zur äussersten Grenze getriebenen technischen Fortschritt sowie ein unglaublich gut erzogenes und gebildetes Volk - es ist ein wahres Paradies auf Erden!"
Der raschen Bolschewisierung und Vergröberung des Alltagslebens in Bulgarien will der Verfasser, der in der Schweiz Finanzwissenschaft studiert hatte und das Land aus eigener Erfahrung kannte, ein idyllisches Schweizbild entgegensetzen:
"Gibt es etwas Angenehmeres als in einem tadellos geführten Hotel an irgendeinem der zahlreichen schweizerischen Seen abzusteigen, den höchsten Alpengipfel Montblanc zu erreichen, ohne die geringste Müdigkeit zu verspüren, und selbst auf dem Gipfel keinen Mangel an den elementarsten Dingen festzustellen, die all das ausmachen, was man Behaglichkeit nennt. In keinem anderen Land wie in der Schweiz sind so hochwertige und gewissenhaft hergestellte Waren zu kaufen. Die Ehrlichkeit der Schweizer ist sprichwörtlich!" 4
Begeistert ist der Autor nicht nur "von den adretten Städten und Dörfern, von den unwahrscheinlichen Errungenschaften des schweizerischen technischen Genius, sondern auch von der Ruhe und Ordnung im Lande, von der weitblickenden und weisen Einstellung des Schweizers zu den sozialen Ereignissen, von seinem Fleiss und seiner Beharrlichkeit, vom unstillbaren Leistungsdrang des Bauern, des Technikers und des Arbeiters, von ihren feinen Erzeugnissen, für welche die Schweiz in der ganzen Welt berühmt geworden ist, von den vorbildlichen Lebensbedingungen, unter denen Reiche wie Arme existieren, von den letzten Erfindungen der Technik, deren sich das gesamte Volk erfreut, von dem Schönheitssinn sowohl bei den Landsleuten, als auch bei den Städtern." 5
Ein ganzes Kapitel seines Buches widmet der Autor dem schweizerischen Bildungswesen. Er ist vom hohen Niveau der Universitäten angetan und lobt den Staat, der "die seltene Möglichkeit für eine ernsthafte und schöpferische wissenschaftliche Arbeit gibt." Hervorgehoben wird eine für den politischen Wechsel in Bulgarien wichtige Tatsache: "Die in der Schweiz erlernte Wissenschaft steht über jeglichen politischen Strömungen, Färbungen und Tendenzen." Indirekt übt der Autor Kritik an der raschen Politisierung und Ideologisierung des Bildungswesens in Bulgarien, indem er schliesst:
"Eine objektive Wissenschaft kann und wird man auch zukünftig allein in Staaten mit demokratischen Regierungsformen erreichen, wo sich keiner vor dem anderen fürchtet und Menschen verschiedener ideologischer Auffassungen einig in der Meinung sind, ein Gegner sei viel ehrenwerter, wenn er über gute philosophische und theoretische Kenntnisse verfüge, damit ein wahrer politischer Kampf geführt werden könnte." 6
Der Autor schreckt vor dem kommunistischen Terror in Bulgarien nicht zurück und nennt geradeheraus den politischen Zweck seines Buches:
"Wir wollen unserem braven und fleissigen Volke einige der grossen Errungenschaften eines ebenso kleinen, jedoch heldenhaften Volkes vor Augen führen und sein Selbstbewusstsein heben, indem wir ihm beweisen, dass auch kleine Völker zu grossen Leistungen fähig sind, ihre Bestimmung haben und oft zu ehrenhaften historischen Taten berufen sind, dass sie - wenn sie vorwiegend auf ihre eigenen Kräfte bauen - Beträchtliches erreichen können, die beste politische und gesellschaftliche Ordnung in ihrem Staat errichten und sich an erheblichen Vorteilen und Freiheiten ergötzen werden, von denen viele der grossen Völker überhaupt nicht träumen könnten."
Mit der letzten Einschätzung ist unverkennbar das grosse Sowjetvolk gemeint, das wegen seiner vermeintlichen revolutionären Leistungen von den bulgarischen Kommunisten als erstrebenswertes Vorbild hochgepriesen wurde.
So spielt der Autor die kleine Schweiz gegen die mächtige Sowjetunion aus, um die von der Barbarei bedrohte Heimat möglicherweise zu bewahren. Zum Schluss bekennt er hoffnungsvoll:
"Von der Schweiz können wir in jeder Hinsicht eine gute und wertvolle Lehre ziehen, insbesondere wir, die Bulgaren, die seit einigen Jahren an einem verhängnisvollen Scheideweg in unserer geschichtlichen Entwicklung stehen. Wir müssen allein entscheiden, welchen Weg wir einschlagen." 7
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- sko4
- Я елате пиленца при батко...
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Старостта не е порок , порок е глупостта !